Marathon in Neuhaus im Solling 05.07.03

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Jens

Marathon in Neuhaus im Solling 05.07.03

Beitrag von Jens »

Am 06.07. startete eine Abordnung der MTB-Sparte beim Marathon in Neuhaus. Felix wählte zusammen mit Veit von unserem Tourentreff die lange Distanz über 106 km. Ich selbst entschied mich für die mittlere Distanz von 53 km.

Unsere Anreise nach Südniedersachsen erfolgte wie gewohnt am Vortag. Bei unserem Eintreffen war es noch ruhig im Ort, so dass wir ohne großes Suchen eine Unterkunft fast auf der Ziellinie fanden. Schnell waren dann auch die Zimmer bezogen und die Räder, welche wir in der extra geräumten Garage unser Pension unterstellen durften, zusammengebaut.

Als nächstes erfolgte eine Trainingsrunde auf der bereits super ausgeschilderten Strecke. Wir entschieden uns für die 25 km lange Schnupperunde. Vorwiegend ging es über breite Forstwege, die von ein paar Crossstrecken unterbrochen wurden. Diese hatten es dann aber so gewaltig in sich, dass ich lieber die Gedanken an eine gleichzeitige, gemeinsame Befahrung mit diversen anderen unter Spannung stehenden Rennteilnehmern verdrängte. Hier wurde wirklich hartes Moutainbiken geboten. Durch Matsch, über feuchtes Laub vorbei an spitzen Steinen, von denen die ärgsten Brocken vom Veranstalter farblich gekennzeichnet wurden, ging es auf diesen Trails meist bergab. Bedingt durch die Nässe war an gezieltes, wirkungsvolles Bremsen natürlich auch nicht zu denken, aber am Renntag sollte ja die Sonne scheinen. Gänzlich in Ordnung war die Welt dann wieder auf den Forstwegen, wobei ich auch hier, wie schon das ganze Training über, immer hinter meinen Teamkollegen herfuhr. Offenbar steckte mir noch der Marathon vom letzten Wochenende in den Knochen.

Am Abend trafen schließlich mehr Marathonisti in Neuhaus ein. Wir holten unsere Startnummern und das mit Energieriegel, Getränkepulver, Ersatzschlauch, Körperpflegemittel, Essensgutschein und reichlich Werbung für die Region gefüllte Startpaket ab. Nach der für ein solches Event obligatorischen Nudelparty wurde uns durch den Veranstalter die Strecke mit ihren Schlüsselstellen via Diavortrag vorgestellt.

Natürlich hatten sich alle Wetterdienste mit ihren Vorhersagen für den Renntag geirrt, denn schon beim Warmfahren setzte leichter Sprühregen ein, so dass wir uns über echtes schleswig-hosteinisches Wetter freuen durften. Aber der Ärger darüber half wenigstens über die Anspannung vorm Start hinweg.

Veit und Felix starteten um 8.00 Uhr auf die lange Strecke, während ich noch bis 9.00 Uhr Zeit hatte, so dass ich mich mit einigen anderen Fahrern im Ort und auf einer Landstraße warm fahren konnte. Am Start erwischte ich zu meinem Wohlgefallen einen Platz in der dritten Reihe, der von einem schützenden Schirm mit überdacht wurde.

Pünktlich um 9.00 Uhr fiel dann nach Ansprachen von Veranstalter und örtlicher Politik der Startschuss und das Feld stürmte los. Zunächst ging es in engen Kurven durch den Ort bis zu einem Feldweg, der dann in den Anfangsanstieg überging. An diesen ersten ca. 120 Höhenmetern riss das Fahrerfeld sofort auseinander. Bis zur Hälfte konnte ich einige Plätze gewinnen, doch dann wurden meine Beine schwer und ich musste abreißen lassen. Wie bereits im Training lief nun nicht mehr viel, an große Gänge war selbst auf den „Forstautobahnen“ nicht zu denken. Mein Ziel unter 3 Stunden Fahrzeit zubleiben, zerbröselte so langsam aber sicher wie auch meine Moral. Es kam dann die erste Trailabfahrt, die ich mit einem Pedalaufsetzer leidlich überlebte.

Nach der Abfahrt war dann alles ganz anders. Mit ordentlich Wut im Bauch über mich selbst kam die Power schlagartig wieder. Irgendwie war wohl ein Knoten in meinen Beinen geplatzt. Die nächsten Abfahrten und Anstiege überlebte ich mit Anstand und konnte endlich richtig treten. Einen weiteren Motivationsschub gab es dann an der ersten Verpflegungsstation. Dort standen doch tatsächlich freiwillige Helfer wie an der Schnurr aufgereiht und reichten den vorüberfliegenden Fahrern energiereiche Getränke. Jeder wurde also wie ein Profi behandelt. TOLL!!

Es ging weiter über schnelle Wiesenab- und winkelige auffahrten, durch ein idyllisches Tal mit einem kleinem Bach unmittelbar neben dem Weg hin zur zweiten Verpflegungsstation kurz vor einem heftigen Anstieg. Hier erwischte ich das richtige Hinterrad und überstand auch diese Passage mit Würde. Von der Landschaft habe ich ab jetzt nicht mehr viel gesehen, denn mein Ziel unter drei Stunden zubleiben kam wieder näher. Total motiviert gab ich alles. Mit 50 km/h und Kette rechts durch die Botanik.

Es folgte die dritte Verpflegungsstation, an der ich nur im Vorüberfahren eine Banane ergriff und weiter strampelte. Die Stecke war mir nun wieder aus unserem Training bekannt und meine Euphorie stieg zusehends. Nach einiger Zeit überholte ich dann Fahrer mit rosa Startnummern, die um 9.30 Uhr gestartet waren, um sich an der 25 km-Runde zu versuchen. Ich legte also noch mal ein paar Kohlen nach und fuhr dem letzten Anstieg und den Matschpassagen tapfer entgegen. Über Stock und Stein fuhr ich, durch einen schweren Unfall eines anderen Teilnehmers, der schon dank zahlreichen Helfern in stabiler Seitenlage ausharrte, dann etwas gebremster. Es folgte eine weitere Abfahrt und dann kam der letzte wirklich üble Anstieg auf Asphalt, von dem schon auf der Streckenbesprechung nicht gut gesprochen wurde. Also Gabel blockiert und ein letztes Mal leiden. Lange leiden. Mittig im Anstieg kurz vor einer Kurve kam dann der Oberhammer. Der Veranstalter hatte eine Kindergartenklasse überredet, hier die ausgelaugten Fahrer zu motivieren. Was durch ein kleines Lied auch gelang „Ja, wo ist denn hier der Hügel, kommt das schaffst Du schon“. Ein unglaubliches Erlebnis. Dankenswerterweise standen die Kinder vor der Kurve, denn nachdem ich ungefähr jede Hand zur unendlichen Begeisterung der Kinder abgeklatscht hatte, musste ich doch herunterschalten um meinen Tritt wiederzufinden.

Es folgte eine kurze Passage in der Ebene, dann ging es in die Schlussabfahrt. Ich gab wieder alles und spürte wie meine Beine anfingen schwerer zu werden. Aber nach ein paar üblen Kurven im Ort konnte ich mich von den Zuschauern vor der Ziellinie zu einem nutzlosen Sprint, denn ich war ja allein, hinreißen lassen, welchen diese jubelnd zur Kenntnis nahmen. Erschöpft und zufrieden über meine Zeit von 2:50 Stunden, die mir eine Platzierung im Gesamtmittelfeld bescherte, musste ich mich erst mal setzten.

Wie erging es nun meinen Mitstreitern? Veit brauchte für die große Runde lediglich 4:50 Stunden und war auch sichtlich glücklich. Felix war nach zwei Stürzen doch etwas genervt, brauchte aber mit 5:02 Stunden nicht wirklich viel länger. Noch nie habe ich jemand dermaßen fluchend über eine Ziellinie fahren sehen.

Im Nachhinein war diese Veranstaltung die bis jetzt schönste in meinem kurzen Ausflug in die Marathonwelt. Die Organisation war einfach perfekt. Zu jeder Zeit hatte ich das Gefühl, der ganze Ort stände hinter diesem Event. Während des Rennens wurde auch der bisherige Streckenrekord eingestellt, aber der wahre Held ist meiner Meinung nach der letzte Fahrer der 25 km-Runde.

Jens
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